Smart Mobility: Fahrerlos in die Zukunft

Die Autowelt von morgen ist ein Mobilitätsökosystem. Hersteller und Zulieferer investieren in autonomes Fahren und schließen Allianzen mit Technologieunternehmen. Werden wir in Zukunft fahrerlos von A nach B kommen?
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Autonomes Fahren soll für mehr Sicherheit sorgen und die Umwelt schonen. Wenn es nach Elon Musk und Tesla geht, dann sollen bereits im Jahr 2021 komplett selbstfahrende Autos auf den Straßen unterwegs sein. Deutsche Autohersteller und Experten stehen dieser Aussage eher skeptisch gegenüber und erwarten autonome Fahrzeuge frühestens in zehn Jahren. Ein anderer Aspekt ist dann wiederum die Marktdurchdringung: Laut einer Prognos-Studie dauert es sogar bis 2040, bis autonome Autos in größerer Zahl auf dem Markt sind.

 

Aktuell ermöglichen einige Fahrzeuge deutscher Hersteller teilautomatisiertes Fahren, sprich Level zwei. Um auf die nächste Stufe, dem hochautomatisierten Fahren, zu kommen, gilt es, noch einige Hürden zu überwinden. Zum einen muss der Gesetzgeber den Rahmen anpassen, da Rechte und Pflichten der Fahrer, Hersteller und regelnder Software sowie der Versicherung noch völlig unklar sind. Bislang sind in Deutschland keine Systeme zulässig, die auf der Autobahn selbstständig Überholvorgänge starten oder die Spur wechseln können. Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, will die Gesetzgebung so schnell wie möglich dafür anpassen und Deutschland international zur Nummer eins beim autonomen Fahren machen. Zum anderen aber gilt es bis hin zu Stufe vier und fünf, dem vollautomatisierten und autonomen Fahren, noch technische Probleme zu lösen, allen voran die Umfeldanalyse. 

 

Die Umgebung im Blick behalten

Um das Umfeld zu analysieren, was für selbstständiges Fahren einer der wichtigsten und anspruchsvollsten Punkte ist, gibt es aktuell verschiedene Ansätze. Tesla setzt beispielsweise nur auf Radar, Ultraschallsensoren und auf Kameras mit Algorithmen zur Bildverarbeitung, um Objekte zu erkennen. 

 

Unter den Pionieren der Bildverarbeitung findet sich auch das deutsche Unternehmen Stemmer Imaging, das wie KATEK mehrheitlich zur technologieorientierten Primepulse Gruppe gehört. Case gefällig? In der Formula Student Driverless nutzt das Racing Team der Hochschule München mithilfe von Stemmer Imaging die Bildverarbeitung, um die Umgebung genau im Blick zu behalten. Die Rennwagen des Teams aus gut 120 Studierenden arbeiten mit zwei Bildverarbeitungssystemen, um sowohl Objekte in größerer Entfernung als auch auf kurzer Distanz zu erkennen. Im Heck des kleinen Boliden werden die so gewonnen Bilder gesammelt, verarbeitet und sorgen dafür, dass der Wagen die Rennstrecke fahrerlos meistert.

Autonomes Fahren soll auch den öffentlichen Nahverkehr revolutionieren (Bildquelle: falco auf Pixabay.com / Lizenz: Zur freien Verwendung, keine Bildquellenangabe nötig)

Doch zurück zu den verschiedenen Ansätzen: Im Gegensatz zu Tesla wollen sich andere Hersteller nicht allein auf Kameras und Radar verlassen. Sie setzen zusätzlich noch auf Laserscanner, die auf der Lidar-Technologie (light detection and ranging) beruhen. Dabei wird die Umgebung mithilfe von Laserstrahlen dreidimensional erfasst. Diese Technologie war bisher sehr teuer und groß, was die kommerzielle Nutzung durch die Fahrzeughersteller unattraktiv gemacht hat. Mit dem von Peter Thiel unterstützten Luminar schickt sich nun aber Unternehmen an, die Kosten für Lidar drastisch zu senken.

 

Die beiden vorgestellten Ansätze haben Vor- und Nachteile. Ultraschall, Radar und Kameras alleine sind bezahlbare, einsatzbereite Technologien, es lassen sich also bereits Serienfahrzeuge damit produzieren. Doch scheint dieser Sensorverbund bei einigen Ereignissen an seine Grenzen zu geraten.  Erkennen von neuen und nicht alltäglichen Situationen ist für die Bilderkennung eine bisher ungelöste Herausforderung. Bei Lidar-Sensoren gibt es diesen Interpretationsspielraum nicht. Daher geht die Mehrheit der Automobilhersteller davon aus, dass für vollautonomes Fahren neben Kameras und Radar ein weiterer unabhängiger Sensortyp – wie Lidar – benötigt wird. Das Lidar-Verfahren ist schneller und weniger rechenintensiv im Vergleich zu der Kameratechnik, ersetzt sie aber nicht. Um beispielsweise eine aufgewehte Plastiktüte als eben solche und damit als ungefährlich zu identifizieren, ist die Auswertung der Kameradaten erforderlich. Auch für die Erkennung von Straßenschildern werden Kameras benötigt, da Lidar-Sensoren keine Farben aufzeichnen. 

 

Das größte Problem der Bilderkennung ist die Interpretation der aufgenommenen Bilder. Um diese richtig deuten zu können, müssen Algorithmen lernen, indem sie erlebte Situationen kategorisieren und speichern. Dies wird mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz, Machine Learning, Tausenden von Testkilometern und Simulationen erreicht. 

Zukunftsmelodie: Im Internet surfen während der Fahrt (Bildquelle: davidvondiemar auf Unsplash.com / Lizenz: Zur freien Verwendung, keine Bildquellenangabe nötig)

 

Für autonomes Fahren steht Sicherheit an erster Stelle. Um diese gewährleisten zu können, müssen die Fahrzeuge ihre Umgebung stets genau im Blick haben. Dabei ist es wahrscheinlich unumgänglich, dass sich Kameras, Radar-, Ultraschall- und Lidar-Sensoren ergänzen. So können die Stärken der einzelnen Technologien genutzt werden, um mögliche Schwächen anderer auszugleichen und zusammen sicheres vollautonomes Fahren zu ermöglichen. 

 

Was sagt der Autofahrer?

Die Frage ist nicht ob, sondern wann Serienwagen in der Lage sind, autonom von A nach B zu fahren. Dann muss nur noch die menschliche Skepsis überwunden werden: Die Konsumenten müssen die Innovation annehmen. Laut einer Bitkom-Studie verliert das eigene Auto aber gerade bei den 16- bis 29-Jährigen, einer der zukünftigen Zielgruppen, an Bedeutung. Auch generell hält sich das Interesse der Deutschen am autonomen Fahren in Grenzen, wie eine Studie von Audi zeigt. Die Chinesen hingegen blicken selbstfahrenden Autos euphorischer entgegen. In Shenzhen werden beispielsweise bereits jetzt fahrerlose Taxis für Testzwecke eingesetzt, vorerst aber noch ohne Passagiere. In Deutschland besteht laut Bitkom aktuell vor allem die Sorge, dass die Technik versagt oder das IT-System zur Zielscheibe von Hackern wird. Jedoch sehen 73 Prozent der Bundesbürger auch Vorteile im autonomen Fahren, vor allem was die Umweltbelastung und den Verkehrsfluss betrifft.

 

Bis Fahrzeuge bei uns in Deutschland autonom unterwegs sein werden, wird es laut Experten auf jeden Fall noch dauern. Aber die bisher entwickelten Technologien sorgen bereits jetzt für mehr Sicherheit und einen höheren Fahrkomfort in den neuen Automodellen. Die Digitalisierung des Automobils hat aber gerade erst begonnen und wird die Mobilität der Zukunft und sowie die gesamte Automobilbranche sicherlich stark verändern. Anstatt dem Besitz eines eigenen Autos wäre beispielsweise eine Mobilitätsflatrate denkbar: Einfach per App das Auto herbeirufen, einsteigen, sich zum Ziel fahren lassen und aussteigen. Morgens die Scheiben freikratzen, Parkplatzsuche, Tanken, die samstägliche Innenraumreinigung und Werkstatttermine würden entfallen. Und bei Urlaubsreisen können quengelnde Kinder endlich mit voller Aufmerksamkeit bespaßt werden. Nicht die schlechteste Vision. 

 

Mehr zu dem Thema erfahren Sie übrigens beim Vortrag von Alexander Noack, Head of Automotive Electronics bei b-plus, während des Festivals of Electronics.   

 

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